Grenzen finden wir überall. In der Landwirtschaft zum Beispiel sprechen wir von Mark- oder Grenzsteinen auf unseren Wiesen, die die Grenze sichtbar machen. Was geschieht, wenn der Bauer der Nachbarswiese diese Grenze nicht beachtet? Wenn er den Zaun einige Meter in unsere eigene Wiese hinein aussteckt? Reagieren wir dann? Verteidigen wir unsere Grenze und wie teilen wir das mit?

Damit wir eine Grenze überhaupt verteidigen können, müssen wir zuallererst wissen, wo sich die Marksteine befinden. Ansonsten ist uns gar nicht bewusst, dass unsere Grenzen überschritten werden. Vielleicht fällt uns der Übertritt erst dann auf, wenn das Gras für unsere Kühe knapp wird, oder wenn unser Gras zertreten ist.

Wie steht es um deine persönlichen Grenzsteine, weisst du wo die sich befinden? Was ist dir wichtig, was passt zu dir, was möchtest du nicht, wofür bist du nicht zu haben, wobei fühlst du dich nicht mehr wohl?

Ist dein Fokus immer wieder nach innen gerichtet, stellst du dir diese Fragen überhaupt oder ist dein Fokus mehrheitlich nach aussen gerichtet? Dann ist dir vielleicht wichtiger, dass es deinem Gegenüber wohl ist. Und du dir über sein Empfinden mehr Gedanken und Sorgen machst und dich dabei einfach übergehst. Du versuchst vielleicht herauszufiltern, wie du dich verhalten musst, damit von der anderen Seite ja kein Angriff oder Infragestellen kommt. Du passt dich an. Du verhältst dich ruhig, nicht aufmüpfig und bist immer zur Stelle.

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Bin ich es mir wert, STOP zu sagen?

Hilfsbereitschaft ist wohl eine wunderbare Tugend. Wird sie jedoch aus der Absicht, Anerkennung zu erhalten, oder aus der Angst, angegriffen und ausgegrenzt zu werden geboren, dann kann es problematisch werden. Überangepasste Menschen spüren sich selbst schlecht, kennen ihre Bedürfnisse nicht wirklich und spüren ihre Grenzen kaum. Diese Menschen dürfen üben die eigenen Grenzen spüren und kennenzulernen. Um diese dann auch zu verteidigen, ist es unabdingbar über den eigenen Wert zu sprechen.  Bin ich es mir wert STOP zu sagen und dafür einzustehen! Kann ich mein NEIN vertreten und einfach einmal keine Zeit haben?

Natürlich gefällt es unserem Gegenüber besser, wenn wir zu allem JA sagen, immer zur Verfügung stehen, ohne Wenn und Aber. Aber stimmt das auch für uns, tun wir uns einen Gefallen mit einem ständigen JA? Wenn wir uns aufopfern und ja sagen, obwohl wir eigentlich ein NEIN fühlen, sind wir nicht mehr authentisch. Wir laufen Gefahr, dass wir insgeheim eine Erwartung hegen und enttäuscht sind, wenn unser Gegenüber – im Gegensatz zu uns – NEIN sagt uns sich abgrenzen kann. Übergehen wir uns, um zu gefallen oder der Anerkennung willen, bezahlen wir einen hohen Preis, denn es ist ein Weg, der in die Enge führt. Um in unsere Kraft zu kommen ist es wichtig die Beziehung zu unserem Selbst zu pflegen, unsere Bedürfnisse zu erkennen und unsere Grenzen zu spüren. Dann können wir auch für sie einstehen, indem wir sie unserem Gegenüber kommunizieren. Menschen, die eine gute Beziehung zu sich selbst haben, die ihren Wert und ihre Würde kennen, stehen für ihre eigenen Grenzen ein, setzen Marksteine und übergehen sich selbst nicht, sondern verteidigen ihre grundeigenen Grenzen.

Der Neurologe Gerald Hüther schreibt in seinem Buch Würde: «Wer sich seiner eigenen Würde bewusst ist, ist nicht mehr verführbar». Bei den meisten Menschen erfahren wir Respekt, wenn wir uns selbst wirklich wertschätzen und achten, unsere Grenzen erkennen und verteidigen.

Dennoch gibt es Menschen, die die Grenzen von anderen nicht respektieren, auch dann nicht, wenn diese immer wieder klar angegeben werden. Wenn das passiert, steht die Frage im Raum, wieviel Kontakt ich mit dieser Person noch aufrechterhalten möchte oder muss? Und darf ich Menschen, die meine Grenzen nicht respektieren nicht auch einfach meiden bzw. umgehen?

Ricarda Caderas dipl. Coach Supervisorin bso
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